Berlin - Platz drei in der Nationenwertung ist die Ziel, aber das deutsche
Olympia-Team könnte in Athen 2004 durchaus kleiner sein als das von Sydney.
Ginge es nach den Ergebnissen des zurückliegenden Sommers, würde das deutsche
Team seine Medaillen-Bilanz aus dem Jahr 2000 enorm verbessern.
Ob aber Deutschland so viele Athleten in die griechische Metropole entsendet
wie nach Australien, ist fraglich. 293 Sportler können derzeit auf Grund der
Quotenregelung mit einem Ticket für Athen rechnen. Erst acht Sportler haben
namentlich ihre Fahrkarte sicher. Vor dreieinhalb Jahren waren insgesamt 444
Deutsche (196 Frauen/248 Männer) in Sydney dabei.
«Vieles hängt vor allem von der Qualifikation der Teams in den
Spielsportarten ab», sagt Armin Baumert, Direktor des Bereiches
Leistungssport (BL) im Deutschen Sportbund (DSB). Trotz einer erfreulichen
Medaillen-Ausbeute in den vergangenen zwei Jahren durch WM-Gold der Fußball-Frauen
(2003) und Hockey-Herren (2002) sowie WM-Silber durch die Handballer (2003)
und WM-Bronze durch die Korbjäger (2002) sind derzeit erst drei deutsche
Teams mit Sicherheit in Athen dabei, nachdem die Handball-Frauen Anfang
Dezember alle Chancen auf Platz fünf bei der WM in Kroatien und damit die
Olympia-Tickets verspielten.
«Wir hoffen vor allem noch auf die Hockey-Damen. Für die Volleyball- und
Wasserball-Teams wird die Qualifikation ganz schwer», weiß Baumert. Über die
U-21-EM im eigenen Land können auch die Fußballer noch ihre Olympia-Chance
beim Schopfe packen. Bislang haben nur die Fußballerinnen, die Hockey-Herren
und Handball-Männer die Fahrkarten nach Athen gebucht. In Sydney waren die
Deutschen immerhin mit fünf Mannschaften (Hockey/Herren/Damen,
Fußball/Frauen, Handball/Männer, Volleyball/Frauen) vertreten. «Die
Spielsportarten sind gut aufgestellt, sie haben den Anschluss zur Weltspitze
gefunden, auch wenn die Basketballer bei der EM einen Rückschlag erlitten
haben», bestätigt der BL-Direktor den einstigen Krisen- Sportarten eine gute
Entwicklung.
Den größten Leistungssprung haben aus Sicht des DSB in den Jahren seit Sydney
die Schwimmer und Schützen gemacht, die 2000 zu den Sorgenkindern gehörten.
«Sie haben das Tal überwunden», stellt Baumert fest und hofft für Athen auf
eine Aufstockung der Edelmetall- Ausbeute in beiden Sportarten. 20 Schützen
haben die Quotenplätze für Athen erkämpft und 54 Schwimmer bereits die
internationale Norm erreicht. Da diese aber nicht ausreicht, um die Nominierungs-
Kriterien des deutschen NOK zu erfüllen, ist die Zahl der Olympia- Starter
wie auch bei den Leichtathleten (bislang 39 mit internationaler Norm) noch
mehr als fraglich.
Sicherste Medaillen-Kandidaten sind wie im zurückliegenden Jahrzehnt neben den
Reitern vor allem Ruderer und Kanuten. «Das sind feste Bänke», sagt Baumert.
Zwölf von 14 Ruder-Booten und acht von 12 Rennsport-Kanus haben die
Qualifikations-Hürden gemeistert, das allein belegt deren Erfolgsbilanz. In
den weiteren Bootsklassen werden die Qualifikationen im Frühjahr angestrebt.
Zu viel Unruhe habe hingegen den Segelbereich geprägt, meint Baumert, so dass
im vorolympischen Sommer nicht die erhofften Ergebnisse erzielt wurden.
Nicht zufrieden sind die Leistungssport-Verantwortlichen auch mit der Bilanz
in den Kampfsportarten, vor allem Ringer und Gewichtheber stagnieren nun
schon seit mehreren Jahren. Nur sechs für Athen qualifizierte Ringer und vier
Gewichtheber zeugen fast mehr als ausbleibende WM-Medaillen vom «Absacken» in
das Mittelmaß. Hingegen geht es bei Boxern und im Judo nach dürren Jahren
wieder langsam bergauf. 9 Judokas, allen voran Weltmeister Florian Wanner,
haben Quotenplätze gesichert, die Boxer gewannen fünf WM-Medaillen, können
sich aber erst über Qualifikationsturniere für Olympia ins Gespräch bringen.
Schon sicher in Athen sind die sechs Tischtennis-Asse Timo Boll, Thorben
Wosik, Jörg Roßkopf sowie Jie Schöpp, Nicole Struse und Elke Wosik. Dazu
kommen in Eric Walther der Weltmeister im Modernen Fünfkampf und in Joelle
Franzmann, bei der WM als Fünfte beste deutsche Triathletin, zwei
Allround-Sportler.
«Wir fahren optimistisch nach Athen und können jedem Athleten versichern,
dass trotz leerer öffentlicher Kassen alles getan wird, um eine optimale
Vorbereitung zu gewährleisten», richtet Baumert seinen Dank an alle
Unterstützer des deutschen Sports, angefangen vom Bundesinnenministerium über
Sporthilfe, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz bis hin zum Zoll. «Im Gegensatz zur
Zeit vor Sydney gibt es qualitative Fortschritte, alle Förderer stimmen sich
besser ab. Die Vielfalt der Möglichkeiten hat zugenommen», schlussfolgerte
Baumert.
Optimismus, den dritten Platz in der Nationenwertung zu erkämpfen, verbreitet
Baumert auch auf Grund der Tatsache, dass die Bemühungen vieler Nationen und
der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA um einen manipulationsfreien Sport stärker
anschlagen. «Die höhere Kontrolldichte hat die Designerdroge THG ans
Tageslicht gebracht. Das wird zur Verunsicherung bei den großen Drei - den
USA, Russland und China - führen. Zumindest können sie nicht mehr so vor
Kraft strotzen wie bisher, das sage ich ganz ohne Schadenfreude», ergänzt
Baumert.
(dpa)
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