Olympia-Boykott: Sportler gegen
Tatenlosigkeit
München - Der ehemalige deutsche Zehnkämpfer Frank Busemann
wirft dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vor, die Athleten bei den
Olympischen Spielen in Peking in eine schwierige Lage zu bringen.
"Sagt ein Athlet nichts zur Situation in China, wird er wegen
Gedankenlosigkeit kritisiert. Äußert er sich und schneidet in Peking schlecht
ab, muss er sich vielleicht von seinem Verband vorwerfen lassen, sich
politisch engagiert, aber seine Aufgabe in der Arena vergessen zu
haben", sagte der Olympia-Zweite von 1996 in Atlanta und heutige
Unternehmens-Motivator dem Nachrichtenmagazin "Focus". Busemann
fordert mehr Mitspracherecht der Sportler bei der Vergabe künftiger Spiele
ein: "Es muss sich hier wahrscheinlich etwas ändern, denn die Sportler
haben Grund, auf die Funktionäre sauer zu sein."
Busemann ist überzeugt, dass die Olympischen
Spiele in Peking politische Spiele werden. Er könne sich sehr gut vorstellen,
dass Sportler ihren Unmut gegenüber den Menschenrechtsverletzungen zum
Ausdruck brächten, "und ich bin gespannt, wie die Chinesen darauf
reagieren". Im Grunde aber sei der Sport nicht geeignet, in China oder
anderen Ländern Dinge zum Besseren zu wenden. "Der Sport ist zu klein,
um Weltgeschichte zu verändern, aber die Olympischen Spiele sind zu groß für
einen Sportler, als dass er auf sie verzichten könnte."
Viele Athleten forschen nach Schlupflöchern für Proteste während der Spiele",
heißt es in der "Berliner Morgenpost". "Der Sport darf zwar
nicht als letzte Instanz zur Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln
missbraucht werden, aber als mündige Athleten werden wir genau prüfen, was
die Olympische Charta zulässt und was nicht, und den Rahmen unserer
Möglichkeiten zum Protest nutzen", betonte Aktivensprecher Sebastian
Schulte aus dem Deutschland-Achter.
Die seit kurzem für Peking qualifizierte Wasserball-Nationalmannschaft der
Männer will "Bademäntel in Orange, in der Farbe der Mönche tragen".
Laut Sören Mackeben, Spieler beim deutschen Rekordmeister Wasserfreunde
Spandau 04, würde dieses Kleidungsstück nicht zur olympischen
Mannschaftsausstattung gehören, die die Athleten tragen müssen. "Und
Interviews gebe ich gerne auch außerhalb der Stadien", fügte Mackeben
hinzu.
Der Berliner Zehnkämpfer André Nicklaus, Hallen-Weltmeister von 2005, hofft
sogar auf den Segen der Funktionäre. "Wenn die Verbände beschließen
würden, dass wir Sportler mit einer Tibetfahne ins Stadion einziehen, könnte
ich mich damit identifizieren", sagte er. "Wir können als Sportler
einfach nicht mehr wegschauen, wenn im Vorfeld der Spiele systematisch
Menschenrechte gebrochen werden und die Pressefreiheit mit Füßen getreten
wird", betonte der Olympia- Dritte im Kanu, Stefan Pfannmöller als
Initiator des Netzwerks "netzathleten.de".
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) verteidigte unterdessen den
Rechtsstaatsdialog mit China. "Mit ihm können wir darauf hinwirken, dass
sich vieles in China zum Besseren entwickelt. Natürlich geht das nicht von
heute auf morgen", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung". "Wegen des gewachsenen gegenseitigen Vertrauens
können wir Menschenrechtsfragen sehr offen ansprechen und tun das auch."
Als konkreten Erfolg nannte Zypries die Tatsache, dass China 2004 den Schutz
der Menschenrechte und des Privateigentums in seiner Verfassung verankert
habe. Angesichts der Vorgänge in Tibet stößt der Rechtsstaatsdialog aber auch
auf Kritik.
Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte der Zeitung:
"Der Schwerpunkt des Dialogs sollte gerade jetzt mehr auf die
Menschenrechte gelegt werden" - also weg von Wirtschaftsfragen. Die
Bundesregierung dürfe sich da nicht wegducken. Von der Menschenrechtsorganisation
Amnesty International hieß es: "Der Fokus des Rechtsstaatsdialogs hat
sich von den Menschenrechten immer mehr entfernt." Zuletzt hatte China
ein Treffen des Rechtsstaatsdialogs im Herbst abgesagt, nachdem Kanzlerin
Merkel den Dalai Lama empfangen hatte. Nun will sich Ministerin Zypries am
21. April in München mit ihrem chinesischen Amtskollegen treffen.
Die Deutschen sind nach einer Umfrage mehrheitlich für eine Verlegung der
Olympischen Spiele 2008 von Peking an einen anderen Ort, falls die
chinesische Führung in Tibet weiterhin mit brutaler Gewalt vorgeht. Wie das
Emnid-Institut für "Bild am Sonntag" ermittelte, sagen 66 Prozent
der Befragten, in diesem Fall sollten die Sommerspiele auch kurzfristig
beispielsweise nach Griechenland verlegt werden. 32 Prozent sind
gegenteiliger Ansicht. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung,
Günter Nooke (CDU), forderte wegen der chinesischen Tibet-Politik massiven
internationalen Druck auf Peking.
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