Hans-Georg Moldenhauer (r.). hier mit
Magdeburgs "Sport"-Chef Rüdiger Koch, war der erste namhafte
Fußballer, der die KJS besuchte. Foto: Jens Wolf
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Magdeburg - Das Sportgymnasium Magdeburg,
hervorgegangen aus der Kinder- und
Jugendsportschule
(KJS), wird am 1. September ein halbes Jahrhundert
alt.
Willi Olfert (66), mit 46 Schuljahren der dienstälteste
Lehrer, blickt heute
auf die Entwicklung im Fußballsport
zurück.
Magdeburg.
Obwohl die Sportart Fußball zu den populärsten in der DDR gehörte, fand sie
auf Geheiß der Sportführung jahrelang keine offizielle Berücksichtigung an
den KJS. Ausnahmen bestätigen jedoch die (Sport-) Regel. So erwies sich 1956
die Aufnahme Hans-Georg Moldenhauers, eines schlaksigen, vielseitigen,
sportlichen und schulischen 14-jährigen Talents, als ein Zufalls- und
Glückstreffer, besonders auch aus heutiger Sicht. "Ich habe vor allem
von der soliden breiten Grundausbildung durch die Sportlehrer Rene Martinek
und Herbert Aquila und schulisch von den Lehrern Lotte Dominik, Ernst Schulze
und Vogt profitiert", will der viel beschäftigte, promovierte
Vizepräsident des DSB, DFB und Präsident des NOFV dankbar erwähnt wissen.
"Molli" war der erste Jugend-Nationalspieler der Schule, eine feste
Größe bei den Olympiatrainern sowie eine zuverlässige Persönlichkeit als
jahrelanger Stammtorwart des SC Aufbau/1. FCM.
In seinen wichtigen Funktionen setzte er sich in der Nachwendezeit für das
Fortbestehen vieler Sportschulen in den neuen Ländern ein. Aus der eigenen
Erfahrung und mit kompetentem aktuellen Wissen trat er Meinungen entgegen,
dass "die Sportschulen nichts weiter als Drillmechanismen mit
staatlicher Färbung" gewesen seien. Moldenhauers Bestrebungen erhielten
Unterstützung durch die soliden fußballerischen Leistungen in den
bundesdeutschen Ligen u.a. von Dirk Heyne, Heiko Bonan, Rene Schneider,
Stefan Minkwitz, Maik Franz, Marcel Maltritz aus Magdeburger Sicht und
darüber hinaus u.a. von Mathias Sammer, Ulf Kirsten und Michael Ballack als
sächsische KJS-Absolventen.
Der Einzelkämpfer Moldenhauer erlebte dann erst nach seiner Schulzeit den
Beginn einer neuen Fußball-Ära. Seit 1961 sorgten Manfred Zapf, Günter
Reinke, Jürgen Geschke, Erich Tenneberg und Jürgen Sparwasser für Furore.
1963 und 1964 schmückten sie sich bereits mit dem DDR-Juniorenmeistertitel,
was Jürgen Pommerenke, Martin Hoffmann, Dietmar Hempel, Dirk Heine, Holger
Bahra und Dirk Stahmann ebenfalls im Nachwuchsbereich fortsetzten.
Titel und Medaillen Anfang der 60er Jahre
Schon im folgenden Jahr glänzte der 17-jährige Sparwasser in der
DDR-Junioren-Auswahl mit dem Gewinn der Goldmedaille beim UEFA-Turnier. Damit
begann seine bemerkenswerte nationale und internationale Karriere, die in der
Nationalmannschaft bei 53 Länderspielen und 15 Toren 1977 endete und in dem
legendären Tor gegen den späteren Weltmeister BRD 1974 in Hamburg gipfelte.
"Spari" dachte in einem aufschlussreichen, sehr lockeren Gespräch
gern an seine magdeburgische Schulzeit zurück: "Die KJS war für mich das
Sprungbrett auf die internationale Bühne. Besonders Direktor Herbert
Wahrendorf, meine Klassenlehrerin Edith Thomczyk, die mich öfter mit frischen
Erdbeeren verwöhnte, Chemielehrer Karl-Heinz Stephan, das tolle
Klassenkollektiv und die Internatserzieher gaben mir ein zweites
Zuhause." Jetzt fühlt sich der jahrelang an der PH Magdeburg in der
Sportwissenschaft lehrende Sparwasser im Frankfurter Raum wohl.
Sparwasser und Co. folgte eine ganze Reihe talentierter Kicker, die den sehr
guten Ruf des Nachwuchses der Elbestadt durch Erfolge bei den Junioren-WM und
den Jugendwettkämpfen der sozialistischen Länder weiter aufpolierte. Kurt
Holke, "Anti" Kümmel und Hans Kapitza als Trainer sowie die
unermüdlichen TZ-Übungsleiter mögen stellvertretend für viele
"Talententwickler" genannt werden. Sie und andere schufen die
Grundlagen, dass die DDR-Olympia-Auswahl 1972 in München mit Zapf, Sparwasser
und Pommerenke den dritten Platz, 1976 in Montreal mit Martin Hoffmann
(66facher Nationalspieler) die Goldmedaille und 1980 mit Wolfgang Steinbach
den Silberrang in Moskau erkämpfen konnte.
Europapokalsieg war der größte Erfolg
Eine riesige Euphorie löste 1974 mit dem einzigen Europacup-Sieg im
DDR-Fußball Stolz und Freude unter der Schüler- und Lehrerschaft aus. Dem
international hochgeschätzten Trainer Heinz Krügel war dieser Husarenstreich
auch durch die frühzeitige Integration blutjunger Spieler aus dem hiesigen
Einzugsbereich in die Mannschaft gelungen. Das betraf die Schulabsolventen
Zapf, Detlev Raugust, Klaus Decker, Detlev Enge, Sparwasser und Pommerenke.
Der Erziehungs- und Bildungsprozess hatte durch die gute Zusammenarbeit mit
den Lehrern und Erziehern der Schule, vertreten besonders durch Anne Plock,
Egon Wetschke und Jochen Hänisch und durch die Leitung des 1. FCM mit Herbert
Groth, Herbert König, Günter Behne und Ulrich Kammrad reife Früchte getragen.
Viele Pokalsiege, Meistertitel und Platzierungen machten die Magdeburger
Spieler begehrenswert. Anfang der 90er Jahre kehrte eine fast komplette
bundesligataugliche Mannschaft den heimatlichen Gefilden den Rücken gen
Westen. Geänderte finanzielle Rahmenbedingungen brachten den Leistungsfußball
auch an der Schule in eine schwierige Situation. Dort hatte 1990 Horst
Papenmeier den seit 1985 amtierenden Peter Wichmann als Schulleiter abgelöst.
Die neuen Strukturen erforderten einen völlig anderen und ungewohnten
Schulablauf, so dass statt des fast täglichen Vormittagstrainings nun nur
noch zwei bis vier Stunden in dieser Zeit möglich waren. Dennoch hofften
zunächst ca. 100 Jungen vergeblich auf diese fußballspezifischen Stunden.
Während es in der Zusammenarbeit des neuen Schulleiters mit dem SCM-Chef
Bernd-Uwe Hildebrandt gelang, durch Neueinstellungen bzw. durch Erhalt der
Stellen im Sportgymnasium die SCM-Sportarten noch vertretbar minimiert zu
erhalten, schien die FCM-Leitung kaum zu agieren.
Als ein Glückslos erwies sich in diesem Zeitraum der sehr beliebte
Rehabilitations- und Athletiktrainer Jürgen Bodendorf. Der einstige
Leichtathletiklehrer der Schule sprang freiwillig in die Bresche, übernahm
die Vormittagsstunden, um sie mit fachlichem Geschick und vielseitigen
abwechslungsreichen Inhalten zu einer echten Herausforderung werden zu
lassen.
In der schnelllebigen Wendezeit "verschliefen" die
Fußballverantwortlichen die Einstellung einer Fachlehrkraft für ihre
Sportart. Schließlich schloss der Fußball-Landesverband mit dem agilen
Stendaler Ludwig Posorski, dem auch Pommerenke, Hoffmann und Mathias Pape zur
Seite standen, diese Lücke. Bleibt die Hoffnung,
dass viele der talentierten Mädchen und Jungen in Magdeburg lange sesshaft
bleiben.
Von Willi Olfert
(LRMD)
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