Wasserball in Magdeburg |
Der
SCM schaffte den Aufstieg in die 2. Bundesliga. / Ein Beitrag über die
Entwicklung des Wasserballs |
|
|
|
Von Knut Bastel |
|
|
|
|
|
Erfunden", wie soll
es auch anders sein, wurde Wasserball in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
in England. „Die Engländer hatten von Anfang an eingesehen, dass sie mit
Wettschwimmveranstaltungen und sonstigen Schwimmvorführungen nur spärlich
weiterkamen und damit nur wenig und langsam Anhänger für den Schwimmsport
gewinnen würden. Es musste bei Schwimmveranstaltungen etwas vorgeführt
werden, das das Publikum lebhaft fesselte und in Aufregung versetzte,..."
(F. Droemer, Lehrbuch für das Wasserballspiel
1922) Anfangs waren Boote die Tore, in die der Ball gelegt werden musste. Der
Torwart agierte sozusagen im Trockenen.1874 gab es dann dort die ersten Regeln
für das „Fußballspiel im Wasser". 1894 kam der Wasserball offiziell nach
Deutschland und bereits zu den Olympischen Spielen 1900 war Wasserball vertreten. 1928 wurde
Deutschland Olympiasieger. Magdeburg ist - war eine, wenn nicht sogar die Stadt mit den größten Wasserballtraditionen
in Deutschland. Schon mit Aufkommen dieser Sportart um die Jahrhundertwende wurde Wasserball in den Strandbädern
an den Ufern der Elbe gespielt.
|
|
Nach und nach, immer noch als Bestandteil des Schwimmens
gesehen, wurde Wasserball als Leistungssport gespielt. |
Knut Bastel, Autor
des Beitrages |
Vier Magdeburger waren
Spieler der Nationalmannschaft, die 1936 die olympische Silbermedaille in
Berlin gewann, unter ihnen auch Erich Rademacher, der als „Multitalent"
als Schwimmer und als Wasserballer startete. Der
Krieg unterbrach die Entwicklung auch in dieser Sportart. Kurzzeitig war Wasserball
nach 1945 als Kampfsportart von der Besatzungsmacht verboten. Der Schwimm-
und Wasserballverein Hellas blieb auch später wie Vereine überhaupt verboten.
Neben einigen anderen Vereinen wurde ab den 50er Jahren vor allem im SC Aufbau
Börde Wasserball gespielt - dem späteren SC Magdeburg. BSG Aufbau Börde, dann
SC Aufbau konnte mehrere DDR-Meistertitel holen, war Serienmeister von 1949
bis 1957. 1953 etablierten sich die jungen Spieler von SG Motor Magdeburg unter
dem Dach der SG Dynamo Magdeburg. Dynamo wurde zuerst hinter SC Magdeburg die
zweitbeste Mannschaft der DDR und übernahm 1958 die Spitze, war dann der
Serienmeister.
Dabei blieb der Ortsrivale SC Magdeburg immer schärfster Konkurrent
im Meisterschaftskampf. Dynamo gelang auch der Durchbruch im internationalen
Wasserballsport für Vereine. Sie wurden Vize-Europacupsieger und aus ihr kam
das Gros der Nationalmannschaft, die bis Ende der 60er Jahre international
erfolgreich war. Neben Moskau, Budapest, Belgrad und Genua war Magdeburg die
Stadt des Wasserballs in Europa. Bis zu 1200 Besucher sahen die Spiele im
Europapokal, kamen aber auch zu den Ortsderbys in
die Elbeschwimmhalle. Gerte Pätzold (verstorben 1998), der
legendäre Torwart Georg Fehn (verstorben 1999), Jürgen Thiel,
Jürgen Kluge oder Siegfried Ballerstedt zählten zu
den weltbesten Spielern. Die Nationalmannschaft (1967 Vize - Europameister)
und die Dynamo Mannschaft wurden vom Trainer Rolf Bastel betreut. 1968
erreichte der Leistungsstand des Wasserballs in den Jugend- und Herrenmannschaften
seinen Höhepunkt in der DDR. Da beschloss der DTSB Wasserball, Hockey, Basketball
und einige andere Sportarten aus der Förderung auszuschließen. Die Teilnahme
an Wettkämpfen im kapitalistischen Ausland wurde verboten. Es wurden
Hallenzeiten und Trainerstellen gestrichen. Beim SCM durfte kein Wasserball
mehr gespielt werden. Über Nacht mussten junge Wasserballer die KJS verlassen;
Wasserball wurde reiner „Volkssport". Das Niveau der Sportart sank
erheblich und kontinuierlich. Da dies auf dem gesamten Gebiet der DDR so war,
konnte die Mannschaft Dynamos noch einige Male DDR-Meister werden. |
|
|
|
Der SCM schaffte den Aufstieg in die 2. Bundesliga. |
|
Im Vergleich zur BRD und international wurde erworbene Leistungsstärke um 30
Jahre verloren. Diese Erkenntnis musste die Magdeburger Wasserballgemeinde nach
1989 schmerzlich erfahren. Auftritte in der z. Bundesliga blieben episodenhaft.
Viele der besten Spieler wanderten zu Vereinen der 1. und 2. Bundesliga ab. Nach
1991 erfolgte eine Vereinigung der Magdeburger wasserballspielenden
Vereine beim SC Magdeburg. Die „Altwasserballer" spielen
noch heute bei der BSG Handwerk. (Sie werden heute wieder vom 74-jährigen
Erfolgstrainer Rolf Bastel trainiert und spielen national und international erfolgreich
in der Mastersklasse.) Zweimal konnte die Herrenmannschaft des SCM in der 2.
Bundesliga spielen. Die neu gegründete Frauenmannschaft spielte zwei Jahre in
der 1. Bundesliga. Seit 1996 wird beim SC Magdeburg ein neuer Weg gegangen. In
Anlehnung an den Erfolgsweg der Dynamos in den 50er Jahren wurde nun die
Nachwuchsarbeit in den Mittelpunkt gerückt. Völlig unentgeltlich rackerten ein
paar Wasserballverrückte wie Dieter Lehmann, Knut und Benjamin Bastel am
Beckenrand mit den Kindern und Jugendlichen. Dann konnte Johannes Koch als ABM
im Rahmen „Sport gegen Gewalt' dazu gewonnen werden. Fünfmal in der Wochen
Training, für Schüler des Sportgymnasiums noch mehr, führten dazu, dass der SC
Magdeburg schnell zur Spitze im Nachwuchs der Landesgruppe Ost aufschloss und
sie jetzt mitbestimmt. Im gesamten DSV kommt der SCM jedes Jahr mit den Nachwuchsmannschaften unter den
besten zehn und sogar in das Turnier der besten sechs, ist also faktisch 1.
Bundesliga.
Die absolute Spitze muss erst noch erreicht werden. Andere Landesschwimmverbände (wie Sachsen und
Brandenburg, aber auch im Westen der BRD) versuchen schon im Jugendalter Auswahl-Mannschaften
ins Rennen zu schicken. In SachsenAnhalt konnten
solche ehemaligen Wasserballhochburgen wie Halle und Dessau gerade im
Jugendbereich noch keinen Anschluss finden und der SCM fährt sogar als Vereinsmannschaft
zu den Ländervergleichen.
Folgerichtig, aber nach zähem
Ringen durch die Bereichsleitung um Johannes und Christian Koch sowie dem
Wasserballwart der Landesgruppe Ost, Knut Bastel, wurde der SC Magdeburg zum
Bundesnachwuchszentrum durch den DSV berufen und soll im Herbst 2001 Landesleistungszentrum
des Landesschwimmverbandes SachsenAnhalt werden.
Wasserball ist eine körperbetonte
Sportart, die aber eine verschwindend geringe Anzahl von Verletzungen in Unterschied
zu allen anderen Ballsportarten aufweist. Ihr Metier - das Wasser - ist dabei
ausschlaggebend. Wasserballer sind Individualisten, die sich im Team finden müssen.
Aggressionen werden durch Schiedsrichter rigoros unterbunden. So gilt gerade
für die Jungspieler: Wer foult und meckert, der verliert. Dies war auch der
Ausgangspunkt für die Überlegung, den Magdeburger Wasserball mit dem Projekt
„Sport gegen Gewalt" zu verbinden. 20 bis 30 Mädchen und Jungen finden
jährlich
den Weg zum Wasserball und werden vier- bis fünfmal in der
Woche betreut. Neben dem Erlernen aller Schwimmarten, dem Spiel mit dem Ball,
gehört auch eine umfassende athletische Ausbildung zum Trainingsprogramm.
Diese nun seit Jahren praktizierte Verbindung ist ein Ausgangspunkt für den
erneuten Aufstieg der Herrenmannschaft des SCM in die 2. Bundesliga.
|
Dynamo
Magdeburg wurde Vize-Europacupsieger des Jahres 1966 |
Es ist
eine extrem junge Mannschaft, die um ein paar Bundesliga
erfahrene Spieler formiert wurde.
Das Relegationsturnier im Juli in der Schwimmhalle Großen
Diesdorfer Straße war perfekt durch die Bereichsleitung Wasserball des SCM und
den Förderverein Wasserballfreunde Magdeburg organisiert. Wenn schon bei den
Samstagregionalligaspielen 200 - 250 Zuschauer ihre Mannschaft anfeuerten,
hatten der SCM diesmal gut 300 bis 350 Fans zur Unterstützung. Die „höchsten
Wasserballer" des DSV waren voll des Lobes über dieses Event und die
Wasserballarbeit in Magdeburg überhaupt. Und die Männermannschaft um Trainer
Stephan Pieske überzeugte spielerisch.
Ja, alles stimmt jetzt wieder im Magdeburger Wasserball. Eine fundierte,
leistungsorientierte und breite Nachwuchsarbeit, Leistungen an der Spitze
und eine treue Fangemeinde. Nein, alles stimmt nicht. 30 Jahre erzwungene
Wasserballabstinenz haben im neuen Sponsorenmarkt Lücken geschlagen. Wer
erinnert sich noch an die Wasserballevents in der Elbehalle? Wasserball ist für
viele Magdeburger fast unbekannt geworden. Für den SCM ist Wasserball, trotz
einiger Unterstützung, keine Kernsportart, eben 1990 so dazugekommen.
Eventuell ist Wasserball auf dem Sponsorenmarkt ein Konkurrent für Handball,
Rudern, Kanu oder Schwimmen? Wasserball hat es im Deutschen Schwimmverband
nicht leicht. Seit Jahren werden den Wasserballern eigene Vermarktungsrechte
im eigenen Verband verwehrt. Sicher hängt das auch mit dem Jahrzehnte (aus der
Geschichte) bestehenden Kuriosum zusammen, dass Schwimmer, Wasserballer,
Turmspringer und Synchronschwimmer in einem Verband sind. Man stelle sich vor:
Unter dem Dach der Leichtathletik wären auch die Fußballer und die Handballer
organisiert. Es bleibt zu hoffen, dass Magdeburger und Magdeburger Firmen sich
der eindrucksvollen Wasserball-Traditionen weiter bewusst werden und auch das
Engagement der Wasserballer im Nachwuchsbereich unterstützen. |
|